kompakt Pflege

Die neue Ausgabe des hww kompakt befasst sich mit dem Thema Pflege. Die Pflegestärkungsgesetze (PSG) I-III sowie die neuen Landesheimgesetze sorgen bei Pflegeheimen für erheblichen Restrukturierungsbedarf.

ERSTELLT AM 23. Juni 2017

Die Pflegestärkungsgesetze (PSG) I-III sowie die neuen Landesheimgesetze sorgen bei Pflegeheimen für erheblichen Restrukturierungsbedarf. Zwar laufen zum Teil Übergangsfristen bis 2018, 2019 oder 2020. Probleme drohen jedoch schon früher: Bei negativer Fortbestehensprognose ist schon 2017 die Finanzierung von Immobilie oder Betrieb in Gefahr.

Die jüngsten Gesetzesreformen haben die Rahmenbedingungen für Pflegeheime in Deutschland massiv verändert. So wurden durch das PSG II zum Jahresanfang fünf Pflegegrade eingeführt, wodurch sich die Bewohnerstruktur in vielen Einrichtungen - hin zu höheren Pflegegraden - verschieben kann. Gleichzeitig wurde durch die Einführung des „Einrichtungseinheitlichen Eigenanteils“ (EEE) die Finanzierungsstruktur von stationären Häusern umgekrempelt. Damit ist zumindest für das laufende Jahr eine Erlösprognose auf der Betriebsseite nur noch eingeschränkt möglich.

Hinzu kommen eine Vielzahl von neuen Anforderungen auf Landesebene durch die verschiedenen Landesheimgesetze und ihre Ausführungsverordnungen. Dazu zählen etwa unterschiedliche Einbettzimmerquoten in mehreren Bundesländern (Baden-Württemberg: 100 Prozent; Bayern: 75 Prozent; Schleswig-Holstein: 75 Prozent; Nordrhein-Westfalen: 80 bzw. 100 Prozent). Gleichzeitig gelten künftig neue Regeln für das Raumprogramm, darunter Mindestgrößen für Bäder, Standards zur Barrierefreiheit et cetera.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen für die betroffenen Häuser sind zum Teil gravierend:

Weniger Betten, gleiche Kosten

In vielen Häusern wird sich durch die Einbettzimmerquote die Platzzahl verringern und damit das Verhältnis von Betten pro Quadratmeter verschlechtern. Ein Ausgleich durch Preiserhöhungen ist in der Regel nicht möglich. Die Folge: Umsatz und Ertragskraft sinken, während die Fixkosten etwa für Küche, Abschreibungen auf das Anlagevermögen etc. gleich bleiben.

Zu viel Personal

Unvermeidbare Folge und Kehrseite des Belegungsrückgangs ist ein Personalüberhang. Das Personal zu reduzieren und an den künftigen Bedarf anzupassen ist schwierig und teuer. Häufig gelten lange Kündigungsfristen, teilweise tarifliche Unkündbarkeit.

Budget- und Umsatzeinbußen durch „Zwillingseffekt“

Um wirtschaftliche Nachteile bei der Umstellung auf Pflegegrade zu vermeiden, wurden Bewohner mit Pflegestufe in der Regel auf einen höheren Pflegegrad hochgestuft. Verstirbt aber ein Bewohner und wird durch einen neuen Bewohner mit identischem Pflegebedarf ersetzt, erhält dieser bei einer Neueinstufung einen niedrigeren Pflegegrad. Dieser sogenannte „Zwillingseffekt“ führt dazu, dass sich mittelfristig die Budgets und Umsätze in vielen Heimen verringern werden.

Miet-Unterdeckung durch geringere Investitionskostenerstattung

Infolge mehrerer Grundsatzurteile des Bundessozialgerichts 2011 haben einige Bundesländer die Investitionskostenerstattung neu geregelt (Bayern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Nordrhein-Westfalen). Unter anderem dürfen die Invesitionskosten nicht mehr pauschaliert sondern nach den tatsächlichen Kosten berechnet werden, und auch Überschüsse dürfen nur noch zweckgebunden verwendet werden. In Nordrhein-Westfalen dürfen beispielsweise künftig maximal 53 qm Fläche pro Pflegeplatz für die Berechnung herangezogen werden – wer größere Flächen hat, erhält dafür nichts.

In der Praxis führt das in den betroffenen Bundesländern dazu, dass sich die Investitionskostensätze vieler Bestandseinrichtungen mit Ablauf der Übergangsfristen verringern werden. Betreiber geraten dadurch in eine schwierige Lage, denn die Miete wird aus den Investitionskosten erwirtschaftet. Sinken diese, lässt sich in vielen Fällen die Miete nicht mehr bezahlen. Eine „Quersubventionierung“ der Miete aus den Vergütungsbestandteilen Pflegevergütung und Unterkunft & Verpflegung ist gesetzlich nicht zulässig.

Aus den genannten Problemfeldern ergibt sich für die betroffenen Häuser teilweise erheblicher Handlungsbedarf: In vielen Fällen sind Investitionen in bauliche oder technische Umbaumaßnahmen nötig. Damit weiterhin ein wirtschaftlicher Betrieb möglich ist, müssen die Kosten gesenkt werden (etwa durch Einsparungen bei Energie, Material- oder auch Personalkosten, Auslagerung von Nicht-Kerngeschäften wie Küche, Buchhaltung, Reinigung, Instandhaltung et cetera). Und auch bei den Betriebsabläufen gibt es meist Spielraum für mehr Effizienz.

Betriebliche Optimierungsmaßnahmen werden jedoch in vielen Häusern nicht ausreichen. Viele Betreiber werden um eine Reduzierung der Miete bzw. Pacht nicht herumkommen und neu verhandeln müssen. Auch eine Anpassung der Finanzierungsstruktur wird in vielen Fällen nötig sein, um die Rentabilität unter den neuen Rahmenbedingungen zu sichern.

Alle Stakeholder einbeziehen

In jedem Fall ist es entscheidend, ein für die betroffene Einrichtung passendes Restrukturierungskonzept zu erarbeiten. Dabei sollten unbedingt alle relevanten Stakeholder einbezogen werden. Dies sind nicht nur Kostenträger, Finanzierer und Vermieter. Dazu zählen vor allem auch die Mitarbeiter, Bewohner und ihre Angehörigen sowie die Heimaufsicht. Hier gilt der Grundsatz: Transparenz schafft Vertrauen. Und Vertrauen ist die wichtigste Grundlage für eine erfolgreiche Restrukturierung.

Dabei geht es insbesondere darum, Einigkeit über das Sanierungsziel herzustellen (etwa das Fortbestehen des Betriebs) oder das Leitbild für die künftige Ausrichtung zu formulieren. Transparente Kommunikation mit allen Stakeholdern und ein klares und konkret formuliertes Ziel erleichtern die Verhandlung um eventuell erforderliche Sanierungsbeiträge enorm, sei es mit den Mitarbeitern, dem Vermieter oder der Bank.

Auch die begleitende Öffentlichkeitsarbeit („Krisen-PR“) während der Restrukturierung sollte nicht unterschätzt werden. Wer dabei die Initiative behält und Notwendigkeit und Nutzen der geplanten Maßnahmen vermittelt, vermeidet Gerüchte und Imageverlust – und damit konkreten wirtschaftlichen Schaden. Häufig genügen bereits wenige gezielte Maßnahmen, um die Außenwahrnehmung entscheidend positiv zu beeinflussen.

Entschlossenes Handeln nötig

Um die nötigen Restrukturierungsmaßnahmen anzugehen, bleibt den betroffenen Einrichtungen nicht mehr viel Zeit. Investoren und Finanzierer prüfen schon jetzt, ob eine Einrichtung zukunftsfähig aufgestellt ist oder nicht. Fällt die „Fortbestehensprognose“ negativ aus, ist die Finanzierung akut gefährdet. Die gute Nachricht ist: In einem Zeithorizont von zwei bis drei Jahren, bis die gesetzlichen Änderungen greifen, lässt sich mit einem fundierten Restrukturierungskonzept noch viel bewegen. Wenn die betroffenen Häuser jetzt entschlossen handeln.

Auszug aus: hww kompakt - Thema | Pflege

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