
KSI 6/2017: Der präventive Restrukturierungsrahmen als Äquivalent zum Schutzschirmverfahren
Ist das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren ein sinnvolles Äquivalent des Schutzschirmverfahrens? Und wann sollten diese Verfahrensarten angewendet werden?
Die Beantwortung dieser Fragen ist Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen. Hierfür werden zunächst die Unterschiede zwischen beiden Verfahren in Bezug auf die wesentlichen Identitätsmerkmale herausgearbeitet, um nachfolgend auf der Basis der Abweichungen in den Regelungsbereichen die richtige Verfahrensart für ein zu sanierendes Unternehmen definieren zu können.
Auszug
Am 22.11.2016 hat die EU-Kommission einen Richtlinienentwurf für präventive Restrukturierungsrahmen und damit für Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz (nachfolgend kurz vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren genannt) sowie Mindestvorschriften für die Sanierung überschuldeter Unternehmer „als zweite Chance“ vorgelegt. Konkret wird das Ziel verfolgt, das Insolvenzrecht umfassend zu harmonisieren, um Rechtssicherheit im Sinne konvergenterer Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren zu schaffen und zugleich die wesentlichen Hindernisse für einen grenzüberschreitenden Kapitalverkehr zu beseitigen, die aus unterschiedlichen Restrukturierungs- und Insolvenzrahmen der einzelnen Mitgliedstaaten resultieren.
Nach einer durch die Heidelberger gemeinnützige Gesellschaft für Unternehmensstrukturierung (HgGUR) in Zusammenarbeit mit Roland Berger im Sommer 2016 erstellten Studie zum Thema „ESUG und vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren“ wird von den befragten Insolvenzrechtsexperten die Forderung erhoben, mit einem derartigen Verfahren das bisher vorhandene Sanierungsinstrumentarium effektiv zu verstärken. Dabei waren die Befragten der Meinung, dass das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren eine höhere öffentliche Akzeptanz als das ESUG5 genießen wird. Dieser Forderung folgend stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren als sinnvolles Äquivalent zum Schutzschirmverfahren dienen kann, wobei bei deren Prüfung von den Verfassern angestrebt wird, beiden Verfahrensarten eine Berechtigung zuzuweisen, die sie gleichrangig nebeneinander stellt. Es gilt kein „entweder oder“, sondern vielmehr ein „sowohl als auch“. Demgemäß ist es geboten, die wesentlichen Identitätsmerkmale des vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens herauszuarbeiten und die Gemeinsamkeiten bzw. die Unterschiede zum Schutzschirmverfahren zu ermitteln, denn nur in den Regelungsbereichen, die voneinander abweichen, lässt sich für ein zu sanierendes Unternehmen die richtige Verfahrensart determinieren.