
Restrukturierung kompakt: M&A
In der aktuellen Ausgabe unseres Newsletters Restrukturierung kompakt beleuchten wir mit dem Thema M&A einen unserer Leistungsschwerpunkte näher, insbesondere betrachten wir Unternehmensverkäufe in der Krise (sogenanntes Distressed M&A).
Den Einstieg in das Thema übernehmen wir mit der Frage, warum eigentlich so wenige Finanzinvestoren erfolgreich im Distressed M&A auftreten und wie man als M&A-Berater, aber auch als Finanzinvestor, dem positiv entgegenwirken kann. In den Artikeln zum Verkauf der Schneider Mineralöl Gruppe und zum Verkauf der Geschäftsbetriebe der zwei größten Dunkin‘ Donuts Franchisenehmer berichten wir über zwei spannende Praxisbeispiele. Zudem beleuchten wir zwei Branchen abseits von der zurzeit sehr präsenten Automobilindustrie. Wir glauben, dass die Notwendigkeit zu Veränderungen in der Systemgastronomie und der IT-Branche noch weiter zunehmen wird. Außerdem beschäftigen wir uns mit dem immens wichtigen Thema Unternehmensbewertung.
Viel Spaß bei der Lektüre.
Distressed M&A und Finanzinvestoren
Betrachtet man grundsätzlich die Verkäufe von Unternehmen in Deutschland über die letzten Jahre, so lässt sich feststellen, dass es sich bei rund 70 bis 75 Prozent der Käufer um strategische Investoren handelt und bei etwa 25 bis 30 Prozent der Käufer um Finanzinvestoren. Im Bereich Distressed M&A, insbesondere bei Verkäufen aus der Insolvenz, ergibt sich ein anderes Bild.
Der Anteil der Käufe durch Finanzinvestoren beträgt lediglich rund 10 bis 15 Prozent, wobei dieser Anteil über die letzten Jahre relativ stabil zu sein scheint. Warum ist das eigentlich so und wie lässt sich diese Quote positiv beeinflussen?
In Deutschland beziehungsweise international sind Finanzinvestoren mittlerweile zahlreich vertreten. Sie verfügen in der Regel über Erfahrung bei Akquisitionen, was nicht unbedingt für alle strategischen Investoren gilt. Zudem ist im Regelfall ausreichend Kapital vorhanden, zumindest bei den Finanzinvestoren, die über einen Fonds verfügen oder vermögende Privatinvestoren im Hintergrund haben. Damit stellen Finanzinvestoren auch für Distressed M&A eine interessante Käufergruppe dar.
In der Praxis zeigt sich aber, dass Strategen viel schneller entscheiden können, was gerade bei zeitkritischen Unternehmensverkäufen aus der Insolvenz sehr wesentlich ist. Das liegt häufig an der Struktur (inhabergeführt), aber auch am tieferen Verständnis der Branche und deren Mechanismen. Dies führt im Regelfall zu einer effektiveren Einschätzung der Risiken einer Transaktion, die sich Finanzinvestoren erst in einer aufwändigen und somit auch kostenintensiveren Due Diligence erarbeiten müssen.
Eine wesentliche Rolle spielt auch die geplante Haltedauer des Investments. Während strategische Investoren häufig „endlos“ planen, ist für viele Finanzinvestoren ein Exit entweder zwingend (bei Fondsstruktur) oder aber latent eingeplant, wenn auch ohne bestimmten Zeithorizont. Das bedeutet, dass ein Finanzinvestor bei einem Kauf bereits heute beurteilen muss, ob das Unternehmen in fünf bis acht Jahren noch veräußerbar und wiederum für den nächsten Käufer interessant ist. Der Prognosezeitraum muss somit etwa 10 bis 15 Jahre umfassen; zumindest der langfristige Trend des Unternehmens, des Geschäftsmodells, der Technologie etc. sollte positiv sein. Gerade in Branchen, die sich im Umbruch befinden, wie aktuell die Automobilzuliefererindustrie, ist diese Einschätzung kein leichtes Unterfangen.
Der nächste entscheidende Aspekt betrifft die Finanzierungsseite. Für einen Finanzinvestor muss der Unternehmenskauf in der Regel „bankable“ sein. Mittelständler oder größere Konzerne verfügen entweder über genügend Cash oder zumindest über langjährig etablierte Bankverbindungen, die gerade bei dem aktuellen Zinsniveau gerne Übernahmen finanzieren. Das Modell der meisten Finanzinvestoren sieht ja gerade nicht vor, Transaktionen „all-equity“ zu finanzieren, sondern diese durch Bankfinanzierungen zu hebeln. Häufig werden fallbezogen neue Banken angesprochen, die mangels Historie mit dem Finanzinvestor und fehlender Sicherheiten nur auf das Kaufobjekt abstellen können. Im Distressed M&A stellt dies einen wesentlichen Unterschied zwischen strategischen Investoren und Finanzinvestoren im Hinblick auf Transaktionsgeschwindigkeit und -sicherheit dar.
Restrukturierungserfahrung, die bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz durchaus erforderlich sein kann, ist weder bei strategischen Investoren noch bei Finanzinvestoren zwingend gegeben. Auch die entsprechenden Managementkapazitäten, die hierfür benötigt werden, können nicht immer vorausgesetzt werden. Interessanterweise geben hier viele Finanzinvestoren einen ihrer möglichen Vorteile gegenüber strategischen Investoren relativ leicht aus der Hand.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Professi-nalisierung unter den Finanzinvestoren bisher noch den Bereich der Distressed-Käufe ausklammert. Nur wenige haben sich spezialisiert und verfügen über Insolvenz- und Restrukturierungs-Know-how, die notwendigen personellen Kapazitäten und die erforderliche Flexibilität auf der Finanzierungsseite. Momentan kann man angesichts der guten konjunkturellen Daten und niedrigen Zinsen auch nicht davon ausgehen, dass eine Vielzahl von Finanzinvestoren plötzlich den Distressed M&A-Markt für sich entdeckt.
Was bedeutet das aber nun für den M&A-Berater in Distressed-Situationen? Was muss getan werden, um die Chancen bei Finanzinvestoren zu erhöhen? Was muss das Zielobjekt mitbringen, um für Finanzinvestoren interessant zu sein?
Für den M&A-Berater in Distressed-Situationen bedeutet das Folgendes: Zunächst gilt es natürlich, geeignete Finanzinvestoren zu identifizieren, die die genannten Anforderungen erfüllen. Im Regelfall gilt dies aber nur für eine sehr geringe Anzahl. Deshalb müssen gerade für die Mehrzahl von Finanzinvestoren aussagefähige Unterlagen erstellt werden. Das beginnt mit Erläuterungen, wie Transaktionen aus der Insolvenz funktionieren, das Herausarbeiten des Geschäftsmodells des Unternehmens und der Treiber in der Branche und mündet letztlich in einer aussagekräftigen Aufarbeitung der Geschäftszahlen sowie dem strategischen und finanziellen Ausblick. Im klassischen M&A-Geschäft ist diese Vorgehensweise selbstverständlich, im Distressed M&A mit den zeitlichen Restriktionen ist dies nicht unbedingt immer der Fall. Es steht und fällt also mit den passenden, aussagefähigen Unterlagen, die geeigneten Finanzinvestoren zur Verfügung gestellt werden.
Was können Finanzinvestoren tun?
Finanzinvestoren können ihre Chancen in einem Bieterwettbewerb im Distressed M&A deutlich erhöhen. Falls sie über keine oder nur geringe Erfahrung im Insolvenzbereich verfügen, können sie sich von entsprechende Experten unterstützen lassen, und auch das Einbinden eines Branchenexperten kann sinnvoll sein. Beide Maßnahmen erhöhen das Know-how und somit die mögliche Transaktionsgeschwindigkeit deutlich.
Sehr selten beobachtet man im Distressed M&A bisher Teamansätze, das heißt eine Kombination von strategischem Investor mit Finanzinvestor oder Finanzinvestor gemeinsam mit einem Interimmanager. Hier bestehen noch erhebliche Möglichkeiten, Geschwindigkeit, Know-how und Finanzierungskraft zu vereinen und interessante Investitionsmöglichkeiten zu generieren. Das bietet auch im Distressed M&A bisher unerfahrenen Finanzinvestoren die Möglichkeit zu partizipieren.
Auszug aus: Restrukturierung kompakt - Thema | M&A