Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG; bisher: Präventiver Restrukturierungsrahmen) verändert die Restrukturierungsbranche in Deutschland grundlegend. Der neue gesetzliche Rahmen hilft Unternehmern bei der Umsetzung der Restrukturierung ihres Unternehmens außerhalb der Insolvenz und bringt viele positive Auswirkungen mit sich.
Autor: Burkhard Jung
Während und vor allem nach der Corona-Krise müssen viele Unternehmer ihre Unternehmen restrukturieren. Unterstützen alle relevanten Gläubiger diese Restrukturierung, findet sich sicher ein Weg. Was aber, wenn einzelne, gegebenenfalls auch kleine Gläubiger dagegen sind? Dann hilft in Zukunft in Deutschland der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) als neues Instrument, die Zustimmung dieser Gläubiger zu ersetzen und einen Restrukturierungsplan auch gegen deren Willen umzusetzen.
Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen: Restrukturierung trotz Uneinigkeit der Gläubiger
Unternehmer stehen oft vor der Frage nach dem besten Weg, ihr Unternehmen zu restrukturieren. Auf der einen Seite gibt es den „normalen“ außergerichtlichen Weg, der mit wenig öffentlicher Aufmerksamkeit verbunden ist. Typischerweise wird mit einer sehr überschaubaren Zahl professioneller Gläubiger eine Lösung verhandelt, bei der alle zustimmen müssen. Gelingt diese Einstimmigkeit nicht, bleibt bisher nur der Weg über ein sanierendes Insolvenzverfahren auf der anderen Seite.
Und auch wenn dieser Sanierungsweg durch Instrumente wie Eigenverwaltung und Schutzschirm deutlich sanierungsfreundlicher geworden ist, bleibt für viele Unternehmer das Gefühl des Makels der Insolvenz. Deswegen werden sanierende Insolvenzverfahren nach wie vor fast immer viel zu spät beantragt. Unternehmer haben dann schlechte Karten, ihr Unternehmen zu behalten. Zusätzlich droht die Verwirklichung erheblicher Haftungsrisiken.
Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen bietet nun die Möglichkeit, in den Fällen, in denen eine Einstimmigkeit der relevanten Gläubiger nicht erreichbar ist oder nur schwer erreichbar erscheint, ohne ein Insolvenzverfahren zu restrukturieren.
Dies gelingt durch folgende zentrale Inhalte:
Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen regt Unternehmen an, ein Frühwarnsystem einzuführen, das rechtzeitig auf mögliche Fehlentwicklungen hinweist. Auf diese Weise wird das rechtzeitige Befassen mit der Restrukturierungsnotwenigkeit gefördert.
Ist das Unternehmen erst einmal unter dem Schutz des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens, sind folgende, die Restrukturierung nachhaltig unterstützende Maßnahmen denkbar:
Am Ende steht ein Restrukturierungsplan, der darlegen muss,
Wichtig ist, dass der Plan am Ende vom zuständigen Gericht bestätigt werden muss, um seine Wirksamkeit zu entfalten.
Mit dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen bekommen die Unternehmer also ein Sanierungsinstrument an die Hand, das hilft, ihre Unternehmen trotz Uneinigkeit auf der Gläubigerseite abseits eines Insolvenzverfahrens zu restrukturieren.
Interview mit Ralf Strehlau
Wir haben mit dem Präsidenten des BDU zum Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen gesprochen. Im Interview verrät Ralf Strehlau uns, wie das neue Sanierungsinstrument Unternehmen in der Krise helfen wird.
Herr Strehlau, woran liegt es, dass Unternehmer noch immer viel zu spät die Sanierung ihres Unternehmens in Angriff nehmen?
Im Einzelfall gibt es sicher eine Vielzahl von Gründen. Diese reichen von mangelnder betriebswirtschaftlicher Transparenz über mangelnder Bereitschaft, sich der Realität zu stellen, bis hin zu Konflikten innerhalb von Eigentümern und/oder Geschäftsführung.
Ein Grund ist meiner Meinung nach ein psychologischer: Das Verdrängen der Realität. Die Psychoanalyse bezeichnet Verdrängung als einen angenommenen psychologischen Abwehrmechanismus. Dieser schließt tabuierte oder bedrohliche Sachverhalte oder Vorstellungen von der bewussten Wahrnehmung aus. Verdrängung wird hier als gewöhnlicher, bei allen Menschen auftretender, Vorgang aufgefasst.
Im Grunde „schützt“ der Geschäftsführer oder Unternehmer sich selbst vor der Realität des unternehmerischen Scheiterns. Hier sind externe Dritte als Gesprächspartner essenziell.
Mit dem ESUG sollte die Insolvenz sanierungsfreundlicher werden. Den Markt der Sanierer und Insolvenzverwalter hat das Gesetz deutlich verändert, aber ist es auch beim Unternehmer angekommen?
Nein, dies ist noch nicht bei den Unternehmern angekommen. Hier ist noch sehr viel Informationsarbeit notwendig. Sicherlich können hier Unternehmensberater, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater eine wichtige Rolle spielen, damit der Unternehmer nicht zu spät die Chance des präventive Restrukturierungsrahmen erkennt und ergreift. Insolvenz – anders als zum Beispiel in den USA – ist in Deutschland ein persönlicher Makel, mit dem man sich nicht beschäftigen möchte.
Welche Sorgen machen sich Unternehmer, die feststellen, dass ihr Unternehmen in die Schieflage geraten ist?
Die Sorgen sind vielfältig und reichen von der persönlichen Existenz über das eigene Image in der Branche bis zur Sorge über die mögliche Arbeitslosigkeit von langjährigen Mitarbeitern.
Sorgen können aber auch ein Katalysator sein, um Veränderungen anzugehen. Manchmal blockieren diese aber auch.
Kann bei der Bewältigung dieser Probleme der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen helfen?
Ja, der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen kann helfen. Entscheidend wird jedoch sein, wie dieser im Alltag umgesetzt und gelebt wird. Hier sollten die Einzelinteressen hinter den Interessen einer ganzheitlich optimierten Lösung treten.
Dies gilt übrigens auch schon bei den Lobbyaktivitäten der einzelnen Interessensgruppen im gesetzgebenden Verfahren.
Welche Komponenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens halten Sie für die wichtigsten?
Entscheidend für mich ist, dass die Einstimmigkeit der Gläubiger nicht mehr notwendig ist. Manch Gläubiger hat die Notwendigkeit der Einstimmigkeit in der Vergangenheit missbraucht!
Herr Strehlau, vielen Dank für das Interview.
Zur Person Ralf Strehlau
Ralf Strehlau ist Präsident des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater (BDU) und Geschäftsführer bei der ANXO Management Consulting GmbH. Er bringt über 25 Jahre Beratungs- und Führungserfahrung mit, vor allem in den Bereichen Veränderungsmanagement, Marketing, Vertrieb, Digitalisierung.