Der Restrukturierungsplan ist das Herzstück des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens, der am 01. Januar 2021 in Kraft getreten ist. In dem Plan wird festgelegt, welche Maßnahmen für die erfolgreiche Restrukturierung notwendig sind.
Autor: Burkhard Jung
Ob operative oder auch finanzwirtschaftliche Restrukturierungsmaßnahmen – all diese werden im Restrukturierungsplan festgehalten und mithilfe eines entsprechenden Zahlenwerks plausibilisiert.
So funktioniert der Plan
Die Gläubiger, die im Rahmen einer Restrukturierung Zugeständnisse machen sollen, können in sinnvolle Gruppen eingeteilt werden. Über den Restrukturierungsplan wird dann Gruppe für Gruppe abgestimmt. Angenommen ist der Restrukturierungsplan dann, wenn in jeder Gruppe 75 Prozent der Gläubiger den Forderungen zustimmen. In besonderen Fällen können auch einzelne Gruppen insgesamt überstimmt werden. Durch diese Möglichkeit der Überstimmung obstruierender Gläubiger ist der Restrukturierungsplan ein hervorragendes Mittel zur Umsetzung der Restrukturierung von Unternehmen.
Interview mit Prof. Dr. Lucas F. Flöther
Herr Prof. Dr. Flöther, für eine erfolgreiche Restrukturierung im Rahmen des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens ist ein Restrukturierungsplan notwendig. Welche Schwerpunkte wird dieser Plan Ihrer Ansicht nach haben?
Der Restrukturierungsplan ist das Herzstück des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens und wird eine große Analogie zum Insolvenzplan aufweisen. Er wird sowohl operative als auch finanzielle Restrukturierung anleiten, wobei letztere im Vordergrund stehen wird. Der Plan bedarf einer umfassenden Vorbereitung. Im Kern wird er durch Mehrheitsmacht bestimmt sein - ohne zugleich die Minderheit zu benachteiligen.
Welche Inhalte sind zwingend, um zum einen den rechtlichen Anforderungen, aber auch dem Informationsbedarf der Gläubiger gerecht zu werden?
Eigentlich auch analog zu den Vorschriften des Insolvenzplans, §§ 219 ff. InsO. Insbesondere der darstellende Teil des Restrukturierungsplans muss den betroffenen Gläubigern eine ausreichende Informationsgrundlage für ihre Abstimmung über diesen Plan bieten.
Es muss für sie klar ersichtlich sein, in welche Rechte in welchem Umfang eingegriffen wird, da andernfalls keine ausreichende Entscheidungsgrundlage vorhanden ist. Auch in welchen Gruppen mit welchem Stimmrecht abgestimmt wird, muss ersichtlich sein. Diese Informationen müssen den Planbetroffenen rechtzeitig zugeleitet werden, um sie mit der Abstimmung nicht zu „überfahren“.
Was unterscheidet den Restrukturierungsplan von einem IDW S 6 oder einem Insolvenzplan?
Dem Insolvenzplan wird der Restrukturierungsplan in seiner Grobstruktur wohl durchaus ähnlich sein, da die Kerngedanken dieses Rechtsinstruments in beiden Fällen identisch sind: Es geht um die Überwindung von dissentierenden Gläubigern mit größtmöglicher Flexibilität. Die Gläubiger werden in Gruppen abstimmen und können Minderheiten überstimmen. Dies fußt darauf, dass auch der Insolvenzplan in der Insolvenzordnung bereits Restrukturierungsprinzipien folgt, die nunmehr auch in einem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen zu finden sind.
Unterschiede könnten sich bei der Komplexität ergeben und bei der Autonomie der Verfahrensbeteiligten.
Während das Insolvenzplanverfahren nach §§ 217 ff. InsO den Gläubigern größere Privatautonomie einräumen will, wird der Restrukturierungsplan ein Instrument des Schuldners sein, der weitestgehend in dessen Händen liegen wird. Dies gilt zum einen für die Initiative, aber auch für die Planausarbeitung.
Insbesondere kann die Abstimmung des Restrukturierungsplans flexibler ausgestaltet sein, da es sich beim Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen im Kern um ein außergerichtliches Verfahren handelt, welches nur eine minimalinvasive Gerichtsbeteiligung vorsieht. Hinsichtlich der Gleichbehandlung der Gläubigergruppen könnte sich eine Abweichung vom Grundsatz der absoluten Priorität im Rahmen des Insolvenzplans abzeichnen, da deren unflexible Folgen bereits vielfach diskutiert wurden.
… und von dem IDW S 6?
Mit dem IDW S 6 Gutachten wird der Restrukturierungsplan kaum Gemeinsamkeiten aufweisen. Mittels eines solchen Gutachtens wird die Krisensituation des Unternehmens abgebildet, wohingegen Insolvenz- und Restrukturierungspläne die Lösung für eine solche Krisensituation bilden sollen. Letztere bestimmten insbesondere die konkreten Eingriffe in die Rechte der Gläubiger, die zur Beseitigung der wirtschaftlichen Schieflage erforderlich sind.
Das IDW S 6 Gutachten wird daher vielmehr im Vorfeld eines Restrukturierungs- oder Insolvenzplans angestrebt, um die Chancen einen solchen Plan nutzen zu können, überhaupt zu verifizieren.
Was erwarten Sie: Werden wir telefonbuchdicke Pläne sehen oder liegt der Erfolg in kurzen und prägnanten Restrukturierungsplänen?
Die Komplexität der Pläne richtet sich nach der Komplexität der Restrukturierung des mit Hilfe des Plans zu restrukturierenden Unternehmens. Ein umfänglicher Restrukturierungsfall wird auch umfassende Angaben im darstellenden als auch gestaltenden Teil des Plans aufweisen. Bereits jetzt existieren je nachdem, welche Rechte am Unternehmen bestehen und wie diversifiziert die Gläubigerstruktur ist, Unterschiede im Umfang der Regelungen, die in einen Plan aufzunehmen sind. Dies zeigt sich allein bei einer Betrachtung von Konzernstrukturen.
Erleichtern könnte den Umfang der Planregelung die Maßgabe der EU-Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen unter anderem, dass nicht alle Gläubiger von der mit Hilfe des präventiven Restrukturierungsrahmens angestrebten Restrukturierung betroffen sein müssen, mithin nicht für alle Gläubiger eine Regelung im Plan zu treffen ist, wie dies bei einem Kollektivverfahren, wie dem Insolvenz(plan)verfahren der Fall ist.
Wer wird diese Restrukturierungspläne schreiben: Kaufleute oder Juristen?
Wie immer gilt: Auf gute Teamarbeit kommt es an! Beide Berufsgruppen werden auf dem Spielfeld aktiv sein müssen, um eine bestmögliche Lösung der wirtschaftlichen Krise für das Unternehmen zu eruieren. Es handelt sich um eine Schnittstellenmaterie, die sowohl betriebswirtschaftliche als auch rechtliche Kenntnis zwingend erfordert.
Herr Prof. Dr. Flöther, vielen Dank für das Interview.
Zur Person Prof. Dr. Lucas F. Flöther
Prof. Dr. Lucas F. Flöther zählt seit Jahren zu den führenden deutschen Sanierungs- bzw. Restrukturierungsexperten und Insolvenzverwaltern. In seiner über 20-jährigen Tätigkeiten hat er über 1.500 Insolvenzverfahren betreut. Flöther ist Gründungs- und Namens-Partner der Rechtsanwaltskanzlei Flöther & Wissing mit derzeit zehn Standorten in Deutschland. Laut nationaler und internationaler Kanzlei-Rankings wie Juve, WirtschaftsWoche, Handelsblatt aber auch Legal 500 oder Chambers & Partners zählt Flöther & Wissing regelmäßig zu den Top-Kanzleien für Restrukturierung und Insolvenzrecht in Deutschland.
Seit 1999 wird Flöther regelmäßig von verschiedenen Insolvenzgerichten zum Insolvenzverwalter sowie in Eigenverwaltungsverfahren zum Sachwalter bestellt. Mit 25 Jahren war er seinerzeit der jüngste Unternehmensinsolvenzverwalter Deutschlands. Heute betreut er regelmäßig namhafte Groß- bzw. Konzernverfahren wie zum Beispiel Air Berlin, Condor, Niki Luftfahrt, Unister oder Mifa. Darüber hinaus ist Flöther Sprecher des Gravenbrucher Kreis, dem Zusammenschluss führender, überregional tätiger Insolvenzverwalter und Restrukturierungsexperten Deutschlands. Zudem ist Flöther Vorsitzender des Ausschusses Insolvenzrecht der Bundesrechtsanwaltskammer.
Seit 2001 erhält Flöther jedes Semester einen Lehrauftrag für Vollstreckungs- und Insolvenzrecht bzw. Zivilprozessrecht der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Im Jahr 2012 wurde er dort zum Honorarprofessor für das Fachgebiet Bürgerliches Recht und Insolvenzrecht ernannt.