Nach unserer Erfahrung wird in Start-ups oftmals versucht, den Problemen, die eine Unternehmensgründung beinhaltet, mit einer Konzentration auf „Sales and Growth“ zu begegnen. Jedoch ist diese Zielrichtung mit großen Risiken verbunden, die in der Praxis häufig zum Scheitern von vielversprechenden Geschäftsmodellen geführt haben. Doch welche Strategien könnten Alternativen sein?
Autor: Dr. Fabian Meißner
Die betriebswirtschaftliche Beratung von Start-ups ist regelmäßig eine besondere Herausforderung. Das haben die Restrukturierungspartner mit Hauptsitz in Berlin, am Puls der deutschen Start-up-Szene, bereits in zahlreichen Beratungsprojekten festgestellt. Gerade bei den Gründern und dem Management-Team steht das Umsatzwachstum, die Expansion in neue Länder beziehungsweise Märkte und der schließlich avisierte Börsengang (IPO) viel stärker im Vordergrund als bei Geschäftsführern von klassischen Mittelständlern. Grund hierfür ist nicht zuletzt die Erwartung von Risikokapitalgebern an eine starke Wachstumsstory als Voraussetzung für ihre Investitionsentscheidung. Dass aber die Fokussierung auf „Sales and Growth“ nicht immer zielführend ist und zum gewünschten Erfolg führt, zeigt nicht zuletzt die besonders hohe Anzahl von Insolvenzen in den ersten fünf Jahren nach der Unternehmensgründung.
Lessons Learned: Handlungsstrategien für Start-ups
Auf Grundlage unserer Beratungserfahrungen mit Start-up-Unternehmen haben wir, in Abstimmung mit den Gründern einige Lessons Learned formuliert. Diese sollten sowohl in der Seed-Phase als auch in Series-A- und -B-Phase Berücksichtigung finden:
Fokussierung auf das Kerngeschäft statt Diversifikation
Häufig konzentrieren sich Gründer in der Anfangsphase ihres Start-ups nicht auf ein Geschäftsfeld. Stattdessen versuchen sie, verschiedene vielversprechende Geschäftsfelder gleichzeitig zu bearbeiten und aufzubauen. Die Folge ist eine Diversifikation des Unternehmens statt einer Fokussierung auf das Kerngeschäft. Da der Erfolg in der Seed-Phase aber noch stärker als in späteren Phasen vom Know-how der Gründer abhängt und die Managementkapazitäten in der Regel sehr begrenzt sind, führt diese Diversifikation dazu, dass die Vertriebs-Pipelines in den Geschäftsfeldern nicht mit vollem Einsatz bearbeitet werden können. Demgemäß kann schon der plötzliche Verlust eines Kunden aufgrund der fehlenden Kompensationsfähigkeit zu einem Liquiditätsengpass führen. Eine Überbrückung bis zur nächsten Finanzierungsrunde ist dann trotz eines aussichtsreichen Geschäftsmodells kaum noch möglich.
Neukundenakquise vs. Customer Lifetime Value
Bei Start-ups bedeutet Wachstum in der Regel aufwendige Neukundengewinnung verbunden mit hohen Customer Acquisition Costs (CAC). Vor allem nach einer erfolgreichen Finanzierungsrunde liegt der Fokus des Managements häufig, wie von den Kapitalgebern gefordert, auf einer schnellen Steigerung der Kundenzahl. Die Transformation von einmal akquirierten Kunden in Bestandskunden mit einem möglichst langen Customer Lifetime Value (CLV) spielt hingegen keine große Rolle. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass der Erfolg des Managements in den meisten Fällen an den akquirierten Neukunden gemessen wird. Insbesondere bei Geschäftsmodellen mit geringen Margen und hohen Akquisitionskosten sollte die Bindung von neu gewonnenen Kunden zu Stammkunden bereits in der frühen Entwicklungsphase forciert und beschleunigt werden. Andernfalls wird investiertes Kapital nicht zielführend eingesetzt. Darüber hinaus sieht sich das Unternehmen dauerhaft mit hohen Marketingkosten konfrontiert, die beständig eingeworben werden müssen und gegebenenfalls in einer späteren Phase bei geringeren Budgets fehlen.
Realistische Vertriebs- und Finanzplanungen
In Start-ups werden häufig „Hockey-Stick-Planungen“ benutzt, um externe Investoren anzulocken und von einer Beteiligung am Unternehmen zu überzeugen. Ein skalierbares Geschäftsmodell verspricht ein überdurchschnittliches Wachstum und letztendlich einen Return on Investment (ROI). Problematisch wird es, wenn die Gründer diese ambitionierten Planungen auch zur Steuerung des Unternehmens und der internen Prozesse einsetzen beziehungsweise verwenden müssen, da sie an deren Umsetzung gemessen werden. Daraus resultiert nicht nur bei den Investoren, sondern auch bei den Stakeholdern des Unternehmens, zum Beispiel den Mitarbeitern im Finance- und Sales-Team, eine unrealistische Erwartungshaltung. Spätestens wenn das Management erkennt, dass die ursprünglich kommunizierten Ziele nicht erreicht und die Planungen deutlich verfehlt werden, sind kurzfristige und zum Teil mehrfache Anpassungen in den Unternehmens- und Vertriebsplanungen zwingend geboten. Der aus regelmäßigen Planungsverfehlungen und -korrekturen bedingte Vertrauensverlust in die Geschäftsidee und in das noch junge Unternehmen ist problematisch. Gerade Start-ups und deren Gründer sind auf einen Vertrauensvorschuss der Stakeholder angewiesen. Dies gilt auch und gerade für hochqualifizierte Mitarbeiter, die sich trotz unterdurchschnittlicher Bezahlung für den Auf- und Ausbau der Geschäftsidee begeistern und engagieren.
Ausgleich zwischen internem und externem Wachstum
Start-ups investieren den größten Teil der eingeworbenen finanziellen Mittel in der Regel in ein schnelles Wachstum des Unternehmens. Dabei steht Wachstum gleichbedeutend für Umsatzsteigerung und Expansion. Mit dieser Fokussierung und dem abverlangten Tempo ist ein neu gegründetes Start-up, das sich noch im Findungs- beziehungsweise Entstehungsprozess befindet, oftmals überfordert. Folglich kann es akquirierte Aufträge oder Bestellungen entweder nicht schnell genug oder nicht fachgerecht bearbeiten. Darunter leiden die Qualität und die Kundenzufriedenheit. Dieser Effekt wird durch die Konzentration der finanziellen Mittel auf Marketing und Neukundengewinnung weiter verstärkt. So kommt es häufig vor, dass Organisationsbereiche, wie zum Beispiel die Buchhaltung, die IT oder das Controlling, die zwar ohne direkten Kundenkontakt, aber dennoch nicht weniger wichtig für den Unternehmenserfolg sind, unterbesetzt und von notwendigen Investitionen zumindest teilweise ausgeschlossen werden. Dies führt unter Umständen zu Unzufriedenheit und Abwanderung innerhalb der Belegschaft.
Was für die interne Organisationsstruktur des Unternehmens gilt, betrifft in den meisten Fällen auch externe Dienstleister. Beispielsweise hat die Logistik häufig ebenfalls Probleme, mit dem rasanten Tempo Schritt zu halten und ausreichende Kapazitäten zur Verfügung zu stellen.
Anpassung der Expansions- und Markteintrittsstrategien
Vertriebsstrategien für neue Zielmärkte basieren oft auf den Prämissen vorläufiger, teilweise veralteter Geschäftspläne und nicht auf der aktuellen Nachfrage und den vorhandenen Kapazitäten des Unternehmens. In der Praxis versuchen Start-up-Gründer häufig, an diesen Plänen so lange wie möglich festzuhalten und ins Ausland zu expandieren, bevor sie den bestehenden, heimischen Absatzmarkt vollständig durchdrungen haben. Dabei wird der große finanzielle und personelle Aufwand eines Markteintritts ebenso unterschätzt, wie das latent vorhandene Risiko eines Scheiterns, trotz weitreichender Marktanalysen im Vorfeld. Denn nur wenn das angebotene Produkt beziehungsweise der angebotene Service auf dem heimischen Markt gefestigt ist, kann diese Absicherung bei einer gescheiterten Expansion eine sichere Rückzugsmöglichkeit eröffnen und somit die Insolvenz des gesamten Unternehmens verhindern. In der Praxis wird die schnelle Expansion in unterschiedliche Länder und Märkte von den Investoren nicht nur finanziell gefördert, sondern auch gefordert. Dies kann insbesondere die Produktions- und Personalkapazitäten des Start-ups deutlich übersteigen. Insofern gilt es, die Markteintrittsstrategien an den vorhandenen Kapazitäten auszurichten und abzuwarten, bis die erforderliche Kapazität zur Verfügung gestellt werden kann.
So helfen wir Ihnen
Aufgrund unserer langjährigen Expertise in der Beratung von Start-up-Unternehmen konnten wir bereits einigen jungen Unternehmen auf ihrem Weg zum Erfolg helfen. Mehr über unsere Beratungsleistungen für Start-ups können Sie unter „Wege aus der Krise für Start-ups“ lesen.
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